Im Olympischen Sport-Club Berlin

Fechtkunst

Fechtkunst als Kampfkunst
Eine Betrachtung von Gerd Borho

Das Fechten in seiner vielfältigsten Form ist so alt wie die Menschheit und weder an ein Land, noch an eine Kultur gebunden. Zu jeder Zeit war Fechten eine Kampfhandlung zur Selbstverteidigung oder Kriegs-handwerk, um das Überleben zu sichern. Zu jeder Zeit waren die Faktoren eine auf die Kampfhandlung (Waffenführung) optimierte Einstellung der Körperhaltung, der Bewegung, der Waffenführung sowie der geistigen Einstellung – wach und sensibel. Diese mit dem Körper fein abgestimmte und optimierte Handlungsweise veränderte sich fortwährend und passte sich dem Einsatz verschiedener Waffentypen (aktive Wehr) und deren Schutzkleidung (passive Wehr) an.

Die Entwicklung der Fechtkunst verlief auf jedem Kontinent anders. Die Fechtkunst der Reiterheere unterschied sich in Waffen und Fechtweisen von der des Fußvolkes, Asien, Orient und Europa entwickelten ihre typischen Waffen und Fechtweisen.

Hier soll nur die Europäische Fechtkunst betrachtet werden, die in jedem Land sogar zur gleichen Zeit differierte. Das Sachgebiet ist so umfangreich, dass nur in Stichworten auf die Themen hingewiesen werden, die in OSC – Lehrgängen themengebunden, praxisorientiert zur Kenntnis gebracht und trainiert werden:

  • Bedeutung des Waffenhandwerkes für Hochadel, gemeinem Adel, Zunft, Bürgertum und der modernen Zeit
  • Das Waffenhandwerk als Wirtschafts- und Kunstfaktor
  • Bedeutung der Wehrfähigkeit als Standesaufgabe und Ausdruck bei Statussymbolen, in der Mode, der Heraldik, Literatur und Musik.

Zunächst ein Blick zurück auf die historischen Epochen mit ihrer aktiven und passiven Wehr.

Epochen, Kriegstracht und deren typische Bewaffnung

0 – 300 Römische Zeit   300 – 770 Altchristliche Zeit
770 – 920 Karolinger Zeit 920 – 1230 Romanik
1230 – 1460 Gotik 1460 – 1580 Renaissance
1580 – 1730 Barock 1730 – 1800 Rokoko
1780 – 1820 Klassizismus 1800 – 1880 Biedermeier


Das Rittertum (Westeuropa)

800 – 1200 Früh-   1200 – 1450 Hoch-   1450 – 1500 Spätmittelalter

 

0 – 500   Rom   Brustschutz, Arm – und Beinschienen, Helm Schild, Kavallerieschwert, gladius, pilum, Gladiatorenkämpfe (u.a. Netz und Dreizack)
200 – 500   Völker in Bewegung   Feinde Roms: Germanen, Kelten, Hunnen, Kleidung aus Wollstoffe, Leder. Kaum passive Wehr, Schwert, einfache Schilde, Axt, Bogen, Messer, Daker: Kettenpanzer, Helm
730 – 980   Karolinger   gepolstert, kniefreier Rock (Vorläufer Gambison), Ringkettenpanzer, vereinzelt auch Schuppe, Lederhelm z.T. metallverstärkt, offener Eisenhut. Tropfenschild / schweres Rundschild, langes, spitzes Schwert, Reiterlanze
800 – 1000   Angelsachsen, Wikinger   Fell, Tuch, vereinzelt Kettenhemd, Helm, mit / ohne Nasenspange , Streitaxt, Wurfhammer, Rundschild, Schwert, fränkisch bzw. Sax und Bogen
900 – 1050   Normannen   Lederkleidung. darüber Ring- bzw. Schuppenpanzer, Beine durch Platten geschützt, Helm mit kleinem Nackenschutz, Reiterschwert, Tropfenschild, Streitkolben, Langaxt, Wurfkeule, Lanze und Bogen.
1100 – 1200   Westeuropäische Ritter   Aus Spanien, Frankreich, Italien, Deutschland, England, Skandinavien, plattenverstärkte Ketten- oder Schuppenpanzer, Gambison, Spangenhelm, Lanze, Schwert, Kolben, Axt, Tropfenschild, Bogen.
1200 – 1300       Panzer s.o., Kettenhandschuhe, Topfhelm, Armbrust, Dreieckschild, heraldischer Wappenrock.
1300 – 1480       Schwere Panzerung, Stechhelm, kleineres Schild, Kurzschwert, Reiterschwert, Bidhänder, Morgenstern, Kampf- und Turnierlanze, Panzerung der Pferde
1500 – 1600       Schwere Rüstung verliert an Bedeutung Zeit der Landsknechte und Söldner Katzbalger und Bidhänder und Helebarden neben Musketen.

Fechtstil Schlagschule
Schwertkampf, Stangenkampf, Waffe mit einer oder mit beiden Händen gehalten. Angriff und Abwehr umsteigend. Kampf mit Schwert und Schild-Schwert bzw. Streitkolben.

Ausführliche Themen zum Rittertum:

  1. Begriff des Rittertums
  2. Weltliche Ursprünge des Rittertums
  3. Rittertum, Kirche, Kreuzzüge
  4. Zeremonie der Schwertleite und des Ritterschlages
  5. Entstehung des Turniers
  6. Historische Mythologie des Rittertums
  7. Wappen und Herolde
  8. Der Begriff Adel und seine Aufgabe
  9. Wappen, Adel, Ehre
  10. Die weltlichen und geistlichen Ritterorden
  11. Prunk, Turniere, Gelöbnisse
  12. Rittertum und Krieg

1606 erlosch mit Maximilian I, dem „letzten Ritter“ die Blütezeit des Rittertums mit ihren Festen und Turnieren. Dafür schlug die Geburtstunde der eigentlichen Fechtkunst (nach heutigem Verständnis).

Die starke passive Wehr (Rüstung jedweder Art) war nutzlos geworden, als Pfeile, Armbrustbolzen und Musketkugeln den Harnisch durchschlugen. Die Ritter „entrüsteten“ sich und trugen fortan leichte Brünnen oder Harnische. Die Bewegung wurde wendiger und schneller und die Waffen waren mehr für Stöße konzipiert.
Das Schwert mit breiter Klinge formte sich mit weiteren Paradespangen und schmaler langer Klinge zum Rapier.
Es begann die Zeit der großen Fechtmeister mit ihren Fechtstilen, die in ganz Europa gelehrt wurden.

Die große Zeit der Stoßschule mit Rapier, Dolch und Degen
In Vorbereitung

Woher weiß man wie früher gefochten wurde?

Hier hilft nur das Studium alter Quellen, die leider nie zu einer eindeutigen Lösung führen und daher in Fachkreisen immer wieder diskutiert werden. Die Forschung steht hier noch am Anfang. Sie muss die alten Traktate, Scripten, Zeichnungen und im besten Falle Bücher zusammentragen, sie transkribieren und die beschriebenen oder dargestellten Techniken erforschen und ausprobieren. Heute versteht man – nach 600 Jahren – oft den Sinn der Schrift gar nicht mehr, so dass Sprachwissenschaftler ebenfalls gefragt sind. Die Übersetzung des Originals in eine andere Sprache, viele Jahre später, bringt oft ein besseres Verstehen.

Eines der ersten Fechtbücher schrieben:

1389 Johan Lichtenauer Ritterliche Kunst des langen Schwertes
1443 – 1467 Hans Talhoffer Diverse Schriften (Gothaer und Ambrasser Codex) und sein Fechtbuch
1470 Verfasser unbekannt Codex Wallenstein
1512 Albrecht Dürer Das Fechtbuch
1536 Achille Marozzo Opera Nova
1568 Camillo Agrippa Trattato di Scienza d´Arme
1570 Joachim Meyer Gründliche Beschreibung der Freyen, der Ritterlichen und Adelichen Kunst des Fechtens (Strasburg)
1570
1594
Giacomo di Grassi Ragione di adoprar sicuramente l´arme
His true Arte of Defense
1610 Ridolfo Cappoferro Gran simulacro dell´arte e dell´uso della scherma de Cagli
1628 Girard Thibault D´Anvers Académie de i´Espée
1653 Charles Besnard Le maistre d´armes libéral
1682 – 1700
1734
Jean L´Abbat L´art en fait d´armes ou de l´ épée seule
The Art of Fencing, or the Use of the small sword
1766 – 1798 Guillaume Danet L´art des armes
1862 Baron de Bazancourt Les secrets de l´ épée
1885 – 1897 Gustav Hergsell Die Fechtkunst Säbelfechten, Ehrencodex
1898 – 1930 Luigi Barbasetti Diverse Bücher über Florett -, Degen – und Säbelfechten, Ehrenkodex

 

Diese Reihe ließe sich beliebig fortsetzen. Im Jahr 2005 wurden in einer Übersicht 3200 Bücher und Schriften zusammengetragen, die sich alle im abendländischen Kulturkreis mit der Fechtkunst beschäftigen. Interessant in diesem Zusammenhang ist ein Erhebung von 1890 in der Fechtbücher vom 16. Jahrh. – 20. Jahrh. nach Herkunft ermittelt wurden. Die meisten Bücher schrieben italienische Fechtmeister, gefolgt von Frankreich, Deutschland, Spanien und England. Hier wurden die großen und berühmten nationalen Fechtschulen ins Leben gerufen. Die ersten 3 genannten Nationen mit ihrer langen Fechttradition zählen heute noch zur Weltspitze.

Was bedeutet Fechten für uns und welche Möglichkeiten gibt es?

Erkenntnis:
Das Eintauchen in die Welt des eleganten und ritterlichen Zweikampfes weckt Leidenschaft für diesen Sport. Die Auseinandersetzung mit der Fechtgeschichte und ihrer Entwicklung berührt alle Gebiete unserer abendländischen Kultur. Das Duell , Bestandteil des Theaters, des Films, der Musik, der Kunst, als letztes und tödliches Mittel sich durchzusetzen, ist zeitlos. Wer will kann in der Fechtkunst unsere Kultur erleben und vielleicht auch manchmal verstehen.

Meine Fechtschule (FSB), die seit 1990 besteht, ist sowohl fester als auch gleich-rangiger Bestandteil der Ausbildung in der Fechtabteilung des Olympischen Sport-Club Berlin. Sie arbeitet aber auch selbstständig im Sport, Kunst – und Kulturbereich.
Nachfolgend eine Übersicht der Ausbildung. Inhalte werden gesondert in einem weitere Script behandelt.

Fechtkunst

Ausbildung – Einsatz

A Schule 1. Sportfechten

2. Duales System

3. Szenisches Fechten
( Unterricht an Grundschulen, Gymnasien und Schauspielschulen )

B Verein 1. Sportfechten – Freizeit und Wettkampf

2. Szenisches und Historisches Fechten

C Kurse 1. Sportfechten in allen 3 Waffen

2. Szenisches Fechten in verschiedenen
Waffengattungen mit Fechtmeistern der AAI

3. Filmfechten mit Stunteinsatz in
Zusammenarbeit mit einer Stuntschule und Filmstadt Babelsberg

D Sondereinsatz 1. DS – Projekte ( Darstellendes Spiel )

2. Kulturprojekte

3. Bühne

4. Film

E Staatliche Prüfungsregulative des Landes Berlin im Fechten für Schauspiel-
schulen

1. Das Beherrschen der Fechttechnik (Klingen- und Beinarbeit)

2. Koordination und Rhythmus im Fechtablauf

3. Verbindung der Fechttechnik mit der Rollengestaltung in Gestik, Haltung und
Wort

4. Eigenständige schöpferische Umsetzung des Gelernten

Anmerkung:
Der Verfasser ist Dipl. Fechtmeister der Akademie der Fechtkunst Deutschlands für das Szenische Fechten und Maître D´Armes der Académie D´Armes International. Er befasst sich seit über 30 Jahren mit diesen Themen.